Zwielicht

Zwielicht (Cover)

Sisyfos Lust

Unten Wartet die Schwester

In den sanften Mulden
im Schatten des Bergs
wo der Fels zur Ruhe findet
leckt sie ihm den Schweiß aus den Achseln
tanzt durch seine Augen die Mondin
singt ihr opalenes Lied
versteckt sein Geschlecht
in ihrem Schoß
vor dem Neid der Göttinnen

Der Anstieg
ist heiter beschwingt
kommt mit dem springenden
Absturz
vom Gipfel
zum Anfang

Ewige Wanderung Lust

Inhalt

Im zweiten Teil, „Zwielicht“ (2004), behandelt Schöfer die (…) Post-68er-Jahre: eine zersplitterte Linke, die ersten AKW-Großdemonstrationen (Wyhl, Kalkar, Brokdorf), Betriebsbesetzungen und – von besonderer Bedeutung – die Werkkreisbewegung, schließlich aus der Ferne so nah die RAF-Aktionen und die staatlichen Reaktionen samt der Diskussionen um Gesetzesverschärfungen (…) Schöfer versteht es, seine Protagonisten (…) in die Auseinandersetzungen der Zeit, die politischen Kämpfe wie diskursiven Verwicklungen auf unterschiedlichsten Feldern (Liebe und Sexualität als ganz besonderer „Arbeitsgrund“, wobei es Schöfer exzellent vermag, Sinnlich-Erotisches zur Sprache zu bringen) hineinzuführen und dabei insgesamt ein dichtes Zeitpanorama zu gestalten.

Werner Jung 2011

Biographie und Zeitroman

Schöfer schrieb in den 1970er Jahren Theaterstücke und Hörspiele und gründete mit Christiane Bruhn und Heinrich Pachl in Köln das »Industrietheater Rhein-Ruhr Der wahre Anton«. 1972 berichtete als Reporter aus der Glashütte Süßmuth in Immenhausen bei Kassel, die seit 1970 von den Arbeitern in Selbstverwaltung betrieben wurde. 1974/75 war er als Reporter in Wyhl am Kaiserstuhl, wo die westdeutsche Bewegung gegen Atomkraftwerke entstand. Beide Schauplätze stehen im Mittelpunkt seines Zeitromans »Zwielicht«. Mit dem Reporter Armin Kolenda tritt hier eine weitere, teilweise autobiographische Hauptfigur auf den Plan. Kolenda liest in einer Romanszene vor der Belegschaft der Glashütte aus seiner Reportage vor, die er literarisch gestaltet hat mit verschlüsselten Figuren, eingebettet in eine Schilderung der Glasproduktion; Bliss sitzt im Pubikum. In Wyhl ist es umgekehrt: Bliss hält dort einen Vortrag über Berufsverbote – als linker Geschichtslehrer ist er selbst betroffen –, Kolenda hört zu, und Schöfer versucht, die Gleichzeitigkeit von zwei Gedankenflüssen im Roman darzustellen (schwierig zu lesen). In Wyhl verliebt sich Kolenda in die 19jährige Jungbäuerin und Aktivistin Salli Biechele. Die Gestaltung dieser Liebesgeschichte einschließlich ihrer sinnlichen Ebene und ihres dramatischen Endes ist Weltliteratur (sagt Korff). Im gleichen Band bekommt Kolenda einen Brief seiner Mutter, einer Arbeiterfrau aus Waltrop. Sie ist gerade 75 geworden und nimmt das zum Anlass, ihrem Sohn zu beichten, wer in Wirklichkeit sein Vater war. Ihr Schwanken zwischen Scham und Stolz auf die glücklichste Zeit ihres Lebens, die Monate ihrer Affäre mit einem „Schleusenknecht“, lassen wohl keine Leserin, keinen Leser unberührt. Schöfer selbst war eine Zeitlang auf der Suche nach seinem lange unbekannten Vater.

Jens Jürgen Korff 2021

Ausgabe 2018

Die komplette Tetralogie mit Begleitband (erläuterndes Sach- und Personenregister), Paperback, 2310 Seiten, Weilerswist (Velbrück/Dittrich) 2018, ISBN 9783947373239, € 39,90