Allgemein, Presse

Erasmus Schöfer (1931-2022)

Leider müssen wir mitteilen, dass Erasmus Schöfer uns am 7. Juni 2022 verlassen hat. Drei Tage nach seinem 91. Geburtstag ist er in seiner Kölner Wohnung, begleitet von seiner Frau und seinen Kindern, gestorben. Das Begräbnis fand in kleinem Kreis in Berlin statt, wo Erasmus aufgewachsen ist. Für den 10. Oktober 2022 ist in Köln eine Gedenkveranstaltung der Menschen geplant, mit denen er dort so lange zusammengearbeitet und zusammen gekämpft hat.

Traueranzeige der Familie

Erasmus Schöfer 2010 in einer Rede in Berlin: »Die große Stille, die trotz der ungeheuerlichen Zumutungen der herrschenden Krisenverbrecher weiterhin im Land zu beobachten ist, muss nicht heißen, dass die Narkotisierung der Bevölkerung endgültig ist.« Trotz aller politischen Rückschläge, die er in seinem Leben erdulden musste, blieb Schöfer Zeit seines Lebens voller Hoffnung auf Veränderung. Nachruf des Verbrecher Verlags und des Dittrich Verlags

Einmal saß ich auf einem Podium, Anlass war ein sozialistisches Pressefest, und man besprach Aussichten auf Sorgen, Krieg und Unrecht, bis die Blicke im Publikum glasig wurden und viele die Köpfe senkten. Da stand dort unten Schöfer auf und stellte die erste Frage: „Gut, und was machen wir dagegen?“ Es war das Motto seines Lebens. Nachruf von Dietmar Dath in der FAZ

Er war also unbeugsam dem gesellschaftlichen Falschen gegenüber und wurde nicht müde, diesem eine stets erneuerte Praxis und eine Vision des Richtigen entgegenzustellen. Diesen Optimismus einer inneren Notwendigkeit behielt er bis zuletzt. Nachruf von Enno Stahl in Jacobin

Er war zunächst einmal ein wunderbarer Mensch: auch im hohen Alter sehr neugierig, sehr offen, sehr kritisch… Die Bücher sind voller funkelnder Edelsteine der Poesie. Ilija Trojanow in einem Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur

Manches trennte uns, aber um das, was uns trennte — viel war es nicht –, war stets das Geschenkband der Dialektik geschlungen. Wir wussten, dass wir beide uns irren konnten … Diese Offenheit, diese stetige Rückverwandlung von Beton in Sand, Kies und Mergel und Wasser, diese Offenheit dem Neuen gegenüber, dieser Wunsch gegebene Ansichten zu zerlegen und zu prüfen, waren ihm ganz eigen. Das fröhliche, ja frohe, Gesicht, die wachen Augen und das Lächeln. So behalte ich ihn in Erinnerung. Nachruf von Leander Sukov

Eigensinn, Geradlinigkeit, Unbestechlichkeit – dafür stand Erasmus Schöfer wie kaum eine*n andere*n im Literaturbetrieb. Er schrieb bis zuletzt, bezog Stellung und kümmerte sich wenig um die Vermarktbarkeit seiner Werke. Nachruf des Fritz-Hüser-Instituts und der Kulturbetriebe Dortmund

Ich glaube, keiner hat so politisch bekennend die Geschichte der westdeutschen Linken, ihre Arbeit und auch ihre Niederlagen von 1968 bis zum Ende des “realen Sozialismus” so beschrieben wie er…. Ich glaube, für ihn war Literatur und auch das Hörspiel vorher immer ein Ort der Wahrheitsfindung und der Erkenntnis. Er hat wirklich daran geglaubt, … dass man mit Literatur die Welt besser machen kann. Wolfgang Schiffer im Gespräch in WDR3 Resonanzen

Kaum einem anderen deutschsprachigen Schriftsteller war der Elfenbeinturm so fern und das reale Leben der hart arbeitenden Bevölkerung so nah wie dem Kölner Romancier, Theater- und Hörspielautor Erasmus Schöfer.  Nachruf von Emmanuel van Stein im Kölner Stadt-Anzeiger

Mit Blick auf das Werk des Philosophen und Schriftstellers, des Mythenkenners und Lustmenschen, klingt diese Mitteilung [die Todesmeldung] fremd. Sie ist es auch, wendet man den Blick von der Vergänglichkeit zum Bleibenden: seinem umfangreichen und vielseitigen Werk. Schöfers künstlerisches Gewissen drängte nach dem überragenden literarischen Werk, mit der gleichen Nachdrücklichkeit verlangten darin politische Arbeit und lebbare Wirklichkeit ihren Platz. Nachruf von Rüdiger Bernhardt in der UZ – unsere zeit

Mit seinem Porträt unserer Selbsthilfe [der Sozialistischen Selbsthilfe Köln-Mülheim] brachte er dann aber gerade nicht das Leiden in das Buchprojekt ein, er zeigte vielmehr, dass ausgegrenzte Menschen heute schon selbstbestimmt und würdevoll leben können. Eine ganz andere Gesellschaft zeigte sich als möglich. Nachruf von Heinz Weinhausen in CONTRASTE

Rüdiger Scholz würdigte Erasmus Schöfer in der Badischen Zeitung als Erneuerer der Arbeiterliteratur und Chronist der Protestbewegung.

Klügster Theoretiker der Arbeiterliteratur… Auf den ersten Blick wird aus der Sicht dreier Männer erzählt. Aber der in Gang gekommene Wandel der Geschlechterverhältnisse gehört doch zu den zentralen Themen. Die Frauen, für die sie sich interessieren, sind nicht mehr ihre Objekte, sondern handeln als gesellschaftliche und erotische Subjekte, die das Patriarchat schmerzhaft verunsichern und ins Wanken bringen. Linke, die von einer rational geordneten Welt träumen, werden durch den Antagonismus von Trieb und Zivilisierung der Geschlechterbeziehungen besonders herausgefordert. Die Verflechtung von Politischem und Privatem zu zeigen, ist für Schöfer Voraussetzung der Wirkmächtigkeit von Literatur. Sie muss Menschen darstellen, „an denen man Anteil nehmen kann, an ihrer Entwicklung, Leute, die politisch aufgebrochen sind, Niederlagen erlebt haben und wieder aktiv geworden sind an anderer Stelle.“ Nachruf von Sabine Kebir in der Freitag 27/2022

Gesammelt von Jens Jürgen Korff im Juli und August 2022

2 Gedanken zu „Erasmus Schöfer (1931-2022)“

  1. Rüdiger Scholz
    Von mir ist am 25. Juni in der Badischen Zeitung ein Nachruf erschienen.

    1. Jens Jürgen Korff sagt:

      Das freut mich, Herr Scholz! Wenn Sie mir ein Zitat aus dem Artikel schicken, kann ich das hier noch einbauen. Der Artikel ist hinter einer Bezahlschranke. Beste Grüße, Jens J. Korff

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