Erzählungen, Lyrik, Presse

Umstürzlerischer Lustgesang

Umstürzlerischer Lustgesang
Melodie & Rhythmus 4. Qu. 2021

Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Melodie & Rhythmus (Zeitschrift für Gegenkultur) steht unter dem Titelthema Liebe. Darin würdigt Enno Stahl die Rolle der erotischen Darstellungen in Erasmus Schöfers Romanzyklus, und Sabine Kebir bespricht liebevoll seinen 2020/21 erschienenen Gedichtband Sisyfos Lust sowie die Entwicklung seiner erotischen Romanszenen.

Stahl plädiert in seinem Essay für eine „historisch-materialistische Konzeption“ des „notorischen Sujets“ Liebe. In seinem Parforceritt durch Liebeslyrik und Liebesprosa seit Sappho will Stahl zeigen, dass große Werke dieses Sujet immer wieder genutzt haben, um Machtverhältnisse in der Gesellschaft kritisch zu beleuchten. Er schließt mit einer denkbaren Aussicht auf visionäre Liebesmotive „ohne Illusion, aber auch ohne Ermächtigungsstrategien oder Enttäuschung“. Es gebe heute kaum dezidiert sozialistische Romane solcher Art. „Eine Ausnahme ist in jedem Fall Erasmus Schöfers Tetralogie »Die Kinder des Sisyfos« (2001-2008). Der Autor geizt nicht mit erotischen Darstellungen, aber sie sind eben kein Selbstzweck, sondern zeigen – oder besser: diskutieren -, wie freie, nicht entfremdete, nicht ausbeutende Liebe und Sexualität möglich sind.“

Sabine Kebir findet in Erasmus‘ Liebesgedichten Momente, in denen „Begehren zur Liebe reifen“ kann, „wenn das Engagement für eine bessere Welt gemeinsam erfahren wird“. Ihr fällt auf, dass Frauen in den Gedichten als erotisch aktive Subjekte auftreten, in einigen davon sogar die klassische Rollenverteilung unterminiert werde. Der Dichter nahm den Standpunkt einer erotisch emanzipierten Frau ein. Wie Erasmus versucht hat, eine neue Sprache der Erotik „jenseits von Kitsch und frauenverachtender Vulgarität“ zu finden und die Rolle der Erotik in den zwischenmenschlichen Beziehungen seiner Figuren zu definieren, untersucht Kebir im weiteren Verlauf ihres Beitrags.

Weitere Artikel des Titelthemas befassen sich mit der Liebe bei Marx, Alexandra Kollontai, Lina Wertmüller, mit Liebesliedern, deformierter Menschenliebe und „Liebe 3000“.

Jejko

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